Ufffff! Ich habe gerade festgestellt, dass mein letztes Update schon über einen Monat her ist und irgendwie bereitet mir das ein schlechtes Gewissen. Das mag jetzt vielleicht etwas verwirrend klingen, auf der anderen Seite bin ich aber auch super happy darüber. Seitdem ich umgezogen bin, hat sich so unglaublich viel geändert, dass ich einfach keine Zeit und um 100% ehrlich zu sein, auch nicht so wirklich Lust hatte, einen Beitrag zu schreiben. Ok, genug gerechtfertigt: Ich habe gerade einen Eintrag in meinem Kalender gefunden, der mich dazu bewegt hat, mein faules Popöchen zu bewegen und euch endlich zu updaten. Dazu aber später;)
Angefangen hat die ganze Story im November. Ich habe mich zunehmend unwohl und allein gefühlt. Meine anfängliche Euphorie war verflogen und ich war oft neidisch auf andere Austauschschüler, welche ein viel herzlicheres und engeres Verhältnis zu ihren Gasteltern hatten. Da meine ehemalige Gastfamilie leider nie so richtig etwas mit uns (meiner brasilianischen Gastschwester Dany und mir) unternommen hat, hatte ich einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Ich möchte meinen Gasteltern keine Vorwürfe machen. Beide sind voll berufstätig, sie haben ein dreijähriges Kind und zusätzlich ist Leslie auch noch schwanger. Ich verstehe vollkommen, dass da wenig Zeit für zwei „fremde“ Kinder bleibt. Allerdings verstehe ich nicht, warum man sich in dieser Situation bewusst dazu entscheidet, Teenager aufzunehmen.
Ich würde mich nicht als sonderlich kompliziert beschreiben. Ich habe immer versucht, Leslie so gut ich konnte zu unterstützen und mich einzugliedern. Ich habe ihr mit dem Einkauf geholfen, die Küche aufgeräumt, Bestandteile des Abendessens vorbereitet und ihr Aubrey hin und wieder für eins zwei Stunden abgenommen. Dennoch hatte ich nie das Gefühl, zuhause oder ein wirklicher Teil der Familie zu sein. Ein Beispiel, welches die ganze Situation relativ gut beschreibt, ist, dass Dany und ich stets unseren eigenen, billigeren Joghurt bekommen haben, wobei der Rest der Familie weiterhin den „besseren“ Joghurt gegessen hat. Mir ist bewusst, dass es sich dabei um eine Kleinigkeit handelt, aber eben gerade diese Kleinigkeiten haben sich angehäuft und dazu geführt, dass ich mich unwohl und ausgeschlossen gefühlt habe. Darüber hinaus hatte ich das Gefühl zusätzlicher Ballast zu sein, was ich absolut gehasst habe.
Nachdem ich meine Gedanken über einige Wochen hinweg gesammelt hatte, habe ich das Gespräch mit meiner Gastmutter gesucht. Wie Mama immer sagt, nur redenden Menschen kann geholfen werden. Es hat mich unglaublich viel Überwindung gekostet, meine Bedenken und Probleme anzusprechen. Ich habe ihr mein Herz ausgeschüttet (einem Springbrunnen ähnelnd wohlgemerkt;), aber leider wirkte Leslie’s Reaktion nur kalt und abgestumpft. Mir hat das Familienleben einfach viel zu sehr gefehlt. Dany und ich haben nie eine Umarmung bekommen, wir haben nie alle zusammen als Familie einen Film geguckt und wenn ich mit meinem Gastvater im Auto saß, herrschte meist nur unangenehme Stille. Abgesehen davon, habe ich mich nicht getraut, meine Gastfamilie zu fragen, ob sie mich zu Freunden oder zur Mall bringen können, da ich ständig das Gefühl hatte, noch mehr Zeitdruck und Stress zu verursachen. Ich habe zuerst gehofft, dass mein Gespräch mit Leslie etwas an dieser Situation ändern würde, jedoch blieb alles beim Alten. Daraufhin habe ich mich dazu entschieden, auf meine Betreuerin zuzugehen und ihr meine Lage zu schildern. Ich war einfach überfordert und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, da ich mir stets eingeredet habe, es sei nur eine Phase. Mein damaliges Ich dachte, dass ich selbst an den Umständen Schuld sei.
An diesem Punkt der Story ist Sarah in mein Leben getrampelt, was meiner festen Überzeugung nach Schicksal war;) Wir haben uns beim Halloween Dance kennengelernt. Ich war minimal eingeschüchtert von diesem unglaublich talentiertem Wesen, welches verdammt nochmal mehr berechtigte Confidence hat, als alle anderen Personen, die ich je kennengelernt habe. Dementsprechend haben wir uns an diesem Abend nicht wirklich viel unterhalten. Das hat sich in der folgenden Woche jedoch gehörig geändert. Nachdem ich in meiner Instagram Story ein Foto von deutschen Weihnachtskeksen gepostet hatte, haben wir jede Menge late-night talks geführt. Es kam mir irgendwie so vor, als würden wir uns schon ewig kennen. Wenig später haben wir uns dann in der school library getroffen und eine Stunde ununterbrochen geredet. Wir haben immer mehr Gemeinsamkeiten entdeckt und ich habe mich super wohl mit ihr gefühlt. Von da an haben wir uns immer wieder in der Library getroffen, bis Sarah mir im Schulflur einen knallbunten Umschlag in die Hand gedrückt hat, den ich übrigens immer noch habe. Es handelte sich um eine Einladung zum Schnitzelessen bei ihr zuhause und ich habe fast angefangen zu heulen, weil ich das so süß fand.
Nur so zur Orientierung: wir befinden uns jetzt ungefähr Ende November. Zu diesem Zeitpunkt bin ich eigentlich so gut wie jeden Donnerstag zu meiner Betreuerin gedackelt, um mir Ratschläge und Unterstützung zu holen. Leider hatte sich, wie schon erwähnt, nach meinem Gespräch mit Leslie nicht viel (um ehrlich zu sein gar nichts) geändert und der Gedanke an einen möglichen Gastfamilienwechsel tauchte gehäuft in meinem Köpflein auf. Natürlich habe ich auch Sarah von meiner misslichen Lage erzählt und wir haben angefangen darüber zu joken, wie es wäre, wenn ich mit ihr leben würde. Das war für mich damals allerdings nur eine Traumvorstellung. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass das bald der Fall sein würde.
Nun war es also Anfang Dezember und das Schnitzelessen stand vor der Tür. Ich war seltsamerweise ziemlich nervös, was absolut unbegründet war, wie sich später herausstellte. Ich habe super illegal Sarah’s Bus genommen und kaum bei ihr zuhause angekommen, hat ihr Dad uns eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt und mit dem Hund rausgeschickt, da die Küche nicht presentable aussahXD. Ich fand das sofort sympathisch. In der folgenden Stunde habe ich mich in Annie und die Conservation Area verliebt. Mit durchgefrorenen Beinen, wieder zuhause angekommen, habe ich dann Brenda und Rob kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden und ich habe mich total willkommen gefühlt. Btw, das Schnitzel war super. Nach dem Essen haben wir alle zusammen einen Film geguckt und sind irgendwann nach 2 tot ins Bett gefallen. Das war damals für mich ein unglaubliches Erlebnis, da bei meiner damaligen Gastfamilie ab 8 nur noch Stille und Dunkelheit vorzufinden waren. Am nächsten Tag habe ich Sarah zu ihren Tanzunterricht begleitet und danach wurden wir schon sehnsüchtig von ihrer Mom im Auto erwartet. Sie hatte uns Pfefferminztee und Blaubeermuffins besorgt, da ich am Tag zuvor erwähnt haben muss, dass ich die am liebsten mag. Diese kleine Aufmerksamkeit hat mich so unglaublich glücklich gemacht…das glaubt ihr gar nicht.
Kommen wir nun aber zu dem bereits erwähnten Eintrag in meinem Kalender:
Ich bin gerade von Sarah nach hause gekommen und es geht mir einfach unfassbar gut. Ich war schon lange nicht mehr so glücklich und weine gerade vor Freude. Mich hat dieses ganze „Soll-ich-die-Gastfamilie-wechseln-oder-nicht-Sache“ einfach so lange belastet und jetzt gerade fällt mir ein Stein vom Herzen. Ich liebe Sarah’s Familie und ich habe mich dort in den zwei Tagen mehr zuhause gefüllt als während den drei Monaten hier. Umarmungen können so unendlich gut tun, wenn man sie lange nicht bekommen hat. Ich glaube zwar nicht wirklich an Schicksal, aber Sarah und ich haben einfach zu viele Gemeinsamkeiten, um es vollkommen von der Hand zu weisen.
Daraufhin ging alles ganz schnell. Ich habe mich überwunden und Leslie meinen Brief übergeben (wenn ihr wissen möchtet warum ich mich für einen Brief entschieden habe, schaut bei dem Link weiter unten vorbei;) Und ja drei Wochen später habe ich mich auch schon bei meiner neuen Gastfamilie wiedergefunden. Ich bin wirklich froh, dass ich nun alles hinter mir habe und mein Gastfamilienwechsel almost ohne Probleme und Streitereien von statten gegangen ist.
Vielleicht merkt man, dass es mir nicht leicht fiel, diesen Beitrag zu verfassen. Das liegt daran, dass ich ständig das Gefühl hatte, noch etwas ergänzen oder tiefer ins Detail gehen zu müssen, um meine Handlungen nachvollziehbar darzustellen.
Abschließend kann ich nur sagen, dass mein Gastfamilienwechsel die mit Abstand schwerste, aber zurgleich auch beste Entscheidung war, die ich während meiner Zeit hier in Kanada getroffen habe.
xx Isi
PS: Falls ihr Austauschschüler seid und euch in einer ähnlichen Lage befindet, schaut doch gerne mal hier vorbei: