Ich sitze gerade an meinem viel zu überfülltem Schreibtisch, mit viel zu viel Schokolade, viel zu viel Arbeit und viel zu vielen Gedanken, die ich irgendwie loswerden muss. In den letzten Monaten ist jede Menge passiert und mein Leben hat sich mehr als nur ein bisschen verändert. Ich bin 18 geworden, habe meine Fahrschule begonnen (und immer noch nicht beendet, da ich das Fahrtalent definitiv nicht mit Löffeln gefuttert habe), habe meine Freunde wieder getroffen und musste mich in mein neues altes Leben zurückfinden.
I’m not gonna lie: es war keine besonders berauschende Zeit und generell hört sich mein Leben im Moment an, wie die Storyline eines missglückten Teenie-Filmes.
Meine Oma wurde innerhalb kürzester Zeit zweimal ins Krankenhaus eingeliefert und letzten Endes notoperiert. Mein Bruder war dienstlich in den USA unterwegs, hat sich im Disneyland nen Bunten gemacht und wurde kurz darauf in einen schlimmen Autounfall verwickelt. Ich glaube, ich habe mich tatsächlich noch nie so hilflos gefühlt wie an diesem Tag. Und da all das noch nicht ausreicht, wurde heute dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufgesetzt. Das Portemonnaie meiner Muddi wurde im Lidl geklaut und wie soll es auch anders sein, mit all ihren Personalien und jede Menge Bargeld, welches sie für meinen Fahrschulunterricht abgehoben hatte.
Es gibt einfach abartige Menschen und wenn ich daran denke, dass wir in Kanada weder das Haus, noch das Auto abgeschlossen haben und nie etwas passiert ist, beginne ich wirklich an Deutschland zu zweifeln. Abgesehen davon musste ich feststellen, dass meine Freunde ihr Leben ohne mich weitergelebt haben (was zu erwarten war, da sich die Welt nicht 24/7 um klein Lulu drehen kann) und ich nicht mehr wie selbstverständlich zu allem und jedem eingeladen werde. Folglich habe ich versucht, mich aus meinem Loch der Isolation rauszukämpfen und mich kurzer Hand selbst eingeladen.
Ich glaube, meine Mitmenschen können das Thema Kanada kaum noch ertragen, und wie soll ich es Ihnen verübeln? Sie haben schließlich Recht. In den vergangenen Wochen habe ich mal drauf geachtet und festgestellt, dass ich tatsächlich ständig von meiner Zeit in Kanada rede und wie viel besser dort doch alles war. War es das wirklich? Ich weiß es nicht, aber was ich weiß ist, dass ich besser war. Ich hatte mehr Zeit für mich, für die Dinge, die mir wirklich Spaß machen und die mich erfüllen. Ich habe meinen Alltag und mein Schulleben 1a gemanaged und mich produktiv gefühlt.
Hier in Deutschland ist das leider nicht der Fall. All das Selbstbewusstsein, welches ich mir im vergangenen Jahr angeeignet habe, ist wie vom Winde verweht und die Schule ist wieder zum Mittelpunkt meines Dorflebens geworden. Die Flügel, welche mir in Kanada gewachsen sind, wurden mir von der deutschen Schule ausgerissen und verbrannt. Versteht mich nicht falsch, in Kanada zu bleiben war keine Option und mein Schulwechsel war definitiv die richtige Entscheidung, aber nichtsdestotrotz trauere ich meinem „alten“ Ich nach. Ich bin in meine längst vergessenen Muster zurückgefallen und kann mal wieder nicht runterfahren. Ich schaffe es nicht, meinen Drang nach Perfektion zu unterdrücken und mir selbst Freizeit einzuräumen. Es scheint als wäre alles wie vor einem Jahr. Mit dem Unterschied, dass ich nun eine andere Seite von mir kenne und weiß, wie entspannt und ausgeglichen ich sein kann.
Kein Leben ist perfekt und mein poetisches Ich möchte euch mitteilen, dass nach jeden Tief auch wieder ein Hoch kommen wird;)
Zum Schluss gibt’s noch mein Lieblingszitat: „What’s comin‘ will come and we’ll meet it when it does.“- Hagrid
Bis bald
xx Isi